Blogartikel zu "der Sandmann" von Pascal Mewes
Im Deutschunterricht haben wir das Buch «der Sandmann» von E.T.A. Hoffmann aus dem Jahr 1816 besprochen. Der Text ist offen formuliert und lässt Raum für verschiedene Interpretationen. Das Buch handelt von einem jungen Mann namens Nathanael, der mit einem traumatischem Kindheitstrauma lebt. Nathanael hat seit der Kindheit Angst vor dem Sandmann. Der Sandmann ist eine Figur aus Kindergeschichten. Er kommt zu den unartigen Kindern und reisst ihnen die Augen heraus. Als Nathanael noch ein Kind war, wurde er von einem Mann namens Coppelius bedroht. Coppelius sagte, er werde Nathanael die Augen herausreissen. Nathanaels Vater starb bei einem Chemieunfall, in welchen auch Coppelius verwickelt war. Dieses Trauma hat Nathanael nie verarbeiten können. Viele Jahre später begegnet er einem Wetterglashändler namens Coppola. Dieser erinnert Nathanael an Coppelius und an den Sandmann. Nathanael fängt an, an sich selber zu zweifeln und gerät in eine Abwärtsspirale. Er verliebt sich in Olympia, die in seinen Augen die einzige Person ist, die ihn richtig versteht. Olympia ist jedoch kein Mensch, sondern ein Roboter. Nathanael bekommt mit, wie Coppola an Olympia herumschraubt und ihr die Augen herauszieht, als er sie flicken will. Da verliert Nathanael endgültig die Fassung. Er hat Wahnvorstellungen und kann den Unterschied zwischen Realität und seiner paranoiden Vorstellungswelt nicht mehr einordnen. Sein Realitätsbild ist so verschwommen, dass er nicht einmal mehr in der Lage ist, zwischen einem Menschen und einem Roboter zu unterscheiden. Ein wichtiges Thema, welches im Buch behandelt wird, ist die Wahrnehmung der Welt durch unsere Augen. Die Augen bilden eine Brücke, welche das innere Erleben mit der Aussenwelt verbindet. Im übertragenen Sinn bedeutet dies, dass wenn die Verbindung zur äusseren Welt unterbrochen ist, der Realitätsbezug verloren geht.
Das Buch wurde im Jahre 1816 geschrieben und richtete sich an ein Publikum mit dem Wissen und den Ansichten von Anfang des 19. Jahrhunderts. Bereits damals beschäftigen Themen wie Wahrnehmung des Weltgeschehens und Realitätsbezug bzw. dessen Verlust die Leute. Damit spricht der Autor ein Thema an, welches uns noch heute sehr beschäftigt. Der Gebrauch von künstlicher Intelligenz und sozialen Medien ist aktueller denn je. Durch Deepfake-Videos und soziale Medien können Menschen genauso den Bezug zur Wirklichkeit verlieren. Deepfake-Videos sind Videos, welche mit Hilfe von künstlicher Intelligenz erstellt werden und authentisch wirken, es aber nicht sind. Dies weist eine Parallele zur Verliebtheit von Nathanael in Olympia auf. Obwohl er erkennen musste, dass sie kein Mensch war, wollte er dies nicht wahrhaben, sondern in seiner verzerrten Wunschvorstellung verbleiben. In der heutigen Gesellschaft informieren sich viele Leute nur noch über soziale Medien. Sie bekommen Informationen anhand von Algorithmen, welche immer wieder die gleichen Meinungen und Haltungen reproduzieren. Auf diese Weise werden die eigenen Ansichten bestätigt und verstärkt. Andere Ansichten können so gar nicht mehr wahrgenommen werden. Wenn man sich zum Beispiel nicht aus verschiedenen Quellen informiert und auch nicht mit Menschen spricht, welche andere Ansichten vertreten, erhält man keine breite und ausgewogene Sicht der Dinge. Ein Beispiel dafür in der heutigen Gesellschaft sind die Verschwörungstheorien, welche während der Corona-Pandemie entstanden sind und sich über die Sozialen Medien verbreitet haben. Der Bildschirm des Smartphones übernimmt die Funktion unserer Augen und verhindert, dass wir die Welt in ihrer Vielfalt wahrnehmen können. Die sozialen Medien kreieren ausserdem eine Filterblase, welche die Aussenwelt von uns abgrenzt. Eine Filterblase entsteht, wenn die Algorithmen aufgrund des Suchverlaufs bestimmte Informationen wiedergeben und andere Informationen, die den Ansichten des Nutzers widersprechen, nicht anzeigen.
Aus heutiger Sicht lässt sich sagen, dass das Thema Realitätsverlust die Menschen bereits im 19. Jahrhundert beschäftigte, es sich aber mit den sozialen Medien noch verschärfte. Nathanael war aufgrund seiner verzerrten Wahrnehmung in einen Roboter verliebt. Heute führen die Filterblasen in den sozialen Medien dazu, dass Menschen ein verzerrtes Weltbild haben und Verschwörungstheorien entwickeln.