Im Text wird verglichen, wie unterschiedlich der Einfluss des Volkes wirken kann. In Maria Stuart bleibt es eine moralische Instanz, während es im Fall Assads zur aktiven Kraft des Umsturzes wird.
In Friedrich Schillers Drama "Maria Stuart" spielt der Einfluss des Volkes eine wichtige Rolle. Der Text handelt von zwei Frauen namens Maria und Elisabeth. Elisabeth ist die Königin von England und Maria ihre politische Gegnerin, die von Elisabeth gefangen gehalten wird. Sie behaupten beide, dass sie selber die rechtmässige Königin von England seien. Doch ist Elisabeth wirklich in der Machtposition? Elisabeth kann Maria nämlich nicht umbringen lassen, da Elisabeth Angst hat, die Zustimmung des Volkes dadurch zu verlieren. Im Text sind politische Machtverhältnisse ein zentrales Thema. Für die Königin ist es wichtig, die Zustimmung des Volkes zu haben. Solange Elisabeth die Zustimmung der Mehrheit des Volkes hat, ist ihre Machtbasis gesichert. Wenn Elisabeth die Zustimmung der Mehrheit des Volkes verliert, dann kann ihre Machtbasis sehr schnell verschwinden. Nach einem Anschlag auf Elisabeths Leben wird Maria von den protestantischen Anhängern von Elisabeth dafür verantwortlich gemacht. Elisabeth wird nun vom Volk stark unter Druck gesetzt, weil dieses Rache und Sicherheit will, mit anderen Worten die Hinrichtung von Maria. Elisabeth wartet lange mit der Unterzeichnung des Hinrichtungsbefehls, weil sie sich fürchtet, dass das Volk ihr das grausame Handeln vorwerfen würde. Dies zeigt, dass die Meinung des Volkes für Elisabeth politisch bedeutsam ist. Schlussendlich wird Maria für den Anschlag hingerichtet. Dies zeigt auch wieder, dass Elisabeth machen muss, was das Volk will. Elisabeth hat nur Macht, weil das Volk sie unterstützt und nur solange die Unterstützung bestehen bleibt. Das Volk wird von Schiller nicht als einheitlicher Wille dargestellt. Es gibt keine direkten Stimmen des Volkes, sondern nur Aussagen wie «man sagt» oder Spekulationen wie « das Volk denkt». Das öffnet Raum für politische Instrumentalisierung, die zum Beispiel von Burleigh genutzt wird. Burleigh benutzt oft den Volkswillen, um Elisabeth zum Handeln zu bringen.
Der Einfluss des Volkes auf Baschar al-Assad
Im zweiten Teil analysieren wir den Einfluss des Volkes in einer modernen Gegenwart.
Im Gegensatz zu Schillers Maria Stuarts wird hier das Volk stark unterdrückt. Unter Assads Regierung werden freie Wahlen, Meinungsfreiheit und politische Opposition weitgehend ausgeschlossen. Im Jahre 2011 gibt es in Syrien Proteste, in denen demokratische Reformen und Meinungsfreiheit gefordert werden. Die Reaktion des Regimes ist jedoch brutale Gewalt, was zur Radikalisierung und zum Bürgerkrieg führt. Der Aufstand ist ein Zeichen für die Unzufriedenheit des Volkes mit dem Regime. Dann in den Jahren 2022 – 2024 verschlechtert sich die Lage für Assad durch wirtschaftliche Not und Korruption. Anfang Dezember 2024 wird Damaskus durch aufständische Kräfte eingenommen. Ohne Unterstützung in der Bevölkerung und angesichts des Aufstandes flieht Assad ins Exil nach Russland. Der Volksaufstand, der über die Jahre wächst und immer grösser wird, ist die entscheidende Kraft, die zum Machtwechsel führt. In Syrien wird der Wille des Volkes über Jahre hinweg unterdrückt und ignoriert, doch schlussendlich ist es das gesamte Volk, dass sich von Assad abwendet und so seine Machtbasis wegnimmt.
In Maria Stuart hingegen bleibt das Volk eine moralische Kraft, deren Meinung das Handeln der Königin beeinflusst. Das Volk ist ausschlaggebend für die Aktionen von Elisabeth, doch das Volk greift nie aktiv ein wie bei Assad. Königin Elisabeth handelt im Gegensatz zu Assad auch im Sinn des Volkes, weil sie weiss, dass sie die Zustimmung des Volkes braucht. Schiller zeigt uns in seinem Drama, dass das Volk einen mächtigen Einfluss auf das Handeln von Regierungen hat. Die Realität zeigt uns am Beispiel von Assad, dass das Volk, wenn es sich erhebt, tatsächlich Machtstrukturen brechen kann.